CHRISTIAN FIEDLER UND DIE BAMBERGER BIERGESCHICHTE(N)

 

Die Bamberger Biergeschichte reicht viele Jahrhunderte zurück. Wenn man über Bamberger Bier spricht, kommt man am Namen Christian Fiedler nicht vorbei. Der Geograf promovierte über den Einfluss des Brauwesens auf die Stadtentwicklung und hat mit seinen Werken „Bamberg – die wahre Hauptstadt des Bieres“ und Bamberger Biergeschichten eine breite Öffentlichkeit erreicht. In seinem Gespräch mit Karl-Heinz Geheeb zeichnet Fiedler ein ebenso genaues wie unterhaltsames Bild der Bierstadt Bamberg, das weit über Anekdoten hinausweist und die Geschichte des Bieres in Franken fundiert aufarbeitet . Bereits zu Zeiten der Stadtgründung waren eine Vielzahl an Braustätten in der fränkischen Stadt zu finden. Schon im Jahr 1093 wurde das Bier namentlich von Domkapitular Odalricus in seinem Testament erwähnt. Außerdem wurde im Jahr 1489 – vor dem berühmten bayerischen Reinheitsgebot 1516 – ein Reinheitsgebot für den Bamberger Einflussbereich erlassen. Die Geschichte von KASPAR SCHULZ reicht bis in das Jahr 1677 zurück und ist bis heute ein wichtiger Bestandteil der Bierhistorie innerhalb der Stadt und weltweit.

Vom Studium zur Passion: Fiedlers Weg zur Expertise

Fiedlers Interesse an der Bamberger Bierkultur erwuchs bereits im Geografie-Studium an der Universität Bamberg. Seine erste große Arbeit war eine Festschrift zu Ehren seines Doktorvaters über die Bedeutung des Brauwesens für die Stadt. Dabei stieß er auf zahllose Ungenauigkeiten in der vorhandenen Literatur. Zwei Jahre intensiver Archivarbeit später lag das Fundament für sein erstes Buch, in dem er jede Bamberger Brauerei seit 1817 vorstellte. So wurde Christian Fiedler zum Chronisten einer Stadt, in der Bier mehr ist als ein Getränk – es ist Identität, Wirtschaftsfaktor und Kulturgut​.

Die Bierstadt Bamberg im regionalen Vergleich

Anders als das benachbarte Kulmbach mit seiner Industrieorientierung blieben die Brauereien in Bamberg stets familiengeführt und handwerklich geprägt. Während die Braubetriebe in Kulmbach und München auf wachsende Exportgeschäft setzten, konzentrierte sich Bamberg jahrhundertelang auf die Versorgung „rund um den eigenen Schornstein“. In den Gaststätten und auf den Bierkellern Bambergs wurde das Bier direkt an die Nachbarschaft verkauft. Diese mittelständische Struktur kennzeichnet die Bamberger Brauereien bis heute und macht die Stadt einzigartig unter den deutschen Biermetropolen​.

Brauereisterben Bamberg: Zwei Jahrhundertkrisen

Auf den historischen Höhepunkt von rund 70 Braustätten vor 200 Jahren folgte ein erstes großes Brauereisterben Bambergs im Zuge der Eisenbahn- und Kanalerschließung im Jahr 1845. Innerhalb weniger Jahrzehnte schrumpfte die Anzahl der Brauereien entlang der heutigen Königstraße von über 20 auf fünf Betriebe. Ein zweiter Einschnitt folgte im Ersten Weltkrieg und der anschließenden Inflation (1915–1921), als ein Drittel der verbliebenen Häuser aus Mangel an Rohstoffen und Arbeitskräften den Betrieb aufgeben musste. Dennoch konnten sich die Brauereien in Bamberg dank ihrer engen Verankerung in der Gemeinschaft und ihrer handwerklichen Tradition behaupten​.

Bamberger Rauchbier: Mythos und Wirklichkeit

Das Bamberger Rauchbier gilt als Aushängeschild der Region, doch viele Anekdoten über seine Entstehung sind reine Legende. Bis zum frühen 19. Jahrhundert wurde das Malz stets über offenem Holzfeuer gedarrt, also getrocknet, und alle Biere schmeckten mehr oder weniger rauchig. Erst ab 1854 führten die sogenannten englischen, rauchfreien Darren zu Bieren ohne rauchiges Aroma. Bis 1865 hatten bereits die Hälfte der Bamberger Brauereien auf die neue Technik umgestellt – Mit dem Schlenkerla und dem Spezial führen die letzten beiden Traditionsbetriebe das Rauchbier-Verfahren in ihrer Brauerei bis heute fort. Wer Bamberger Rauchbier genießt, erlebt ein Stück regionaler Brau­geschichte, das Christian Fiedler mit seinen Recherchen systematisch aufschlüsselte.

Bamberger Biergeschichten: Anekdoten zwischen Wirklichkeit und Erzählung

In seinem zweiten Buch setzt Fiedler auf die Balance von belegten Fakten und lokalem Erzählschatz. So reflektiert er etwa den kuriosen Fall des schwankenden Judas Thaddäus bei der Fronleichnamsprozession, der nach dem Gottesdienst im Gasthaus „Spezial“ anbitterte und mehrfach fast in die Regnitz zu stürzen drohte. Oder die Gründung der Bamberger Feuerwehr: Ein verheerender Brand in der Brauerei Jäck 1860 führte dazu, dass Bürger die erste Bamberger freiwillige Feuerwehr gründeten, um künftige Großfeuer besser löschen zu können – darunter auch der junge Friedrich Schulz, Vorfahr von Firmennamensgeber Kaspar Schulz.

Flaschenbier und industrielle Umbrüche

Der Übergang vom Fass- zum Flaschenbier veränderte die Trinkgewohnheiten nachhaltig. Bereits in den 1830er Jahren kursierten Berichte über Bier in Tonkrügen die auf dem Weg nach Amerika waren – erste Versuche, die man aus heutiger Sicht als experimentell bezeichnet. Echte Glasflaschen kamen erst 1876 bei der Bärenbräu auf den Markt. Die 1-Liter Flasche kostete damals 25 Pfennig und war mit der 0,5L Flasche sozusagen wie heute das erste „Bier to go“. Fiedlers Archivfunde belegen, wie schnell die Brauereien in Bamberg diese Innovation übernahmen und damit den Weg für moderne Vertriebswege ebneten​.

Sammelleidenschaft als lebendige Tradition

Aus seiner Arbeit als Autor entwickelte Christian Fiedler eine ebenso leidenschaftliche wie museale Sammelleidenschaft: Über 180 verschiedene Bamberger Bierflaschen zieren heute sein Regal, jede mit erhabener Glasprägung und firmenspezifischem Logo. Die einst mundgeblasenen Raritäten dokumentieren, wie sehr sich das Bamberger Bier als Wirtschaftszweig und Alltagskultur in den vergangenen Jahrhunderten verändert hat.

Ausblick: Zukunft der Bamberger Bierstadt

Trotz globaler Herausforderungen und lokalem Wettbewerb wächst die Begeisterung für handwerklich gebraute Biere in Bamberg weiter. Die Bamberger Bierkultur zeichnet sich durch Vielfalt und Koexistenz aus: klassische Rauchbiere neben fruchtigen Neuschöpfungen, Bierkellerfeste neben Craft-Beer-Tastings. Christian Fiedler sieht hierin den Schlüssel, dass die Bierstadt Bamberg nicht nur als Museum weiterbesteht, sondern als lebendiges Zentrum der Braukunst – geprägt von Bamberger Biergeschichten, die Tradition und Innovation verbinden.

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